Zum Vorliegen von Schleichwerbung durch Posts eines sog. Influencers auf Instagram

OLG Braunschweig, Beschluss vom 08. Januar 2019 – 2 U 89/18

Zum Vorliegen von Schleichwerbung durch Posts eines sog. Influencers auf Instagram

Tenor

Die Verfügungsbeklagte wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, ihre Berufung gegen das Urteil des Landgerichts – Kammer für Handelssachen – Göttingen vom 07.11.2018 gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Gründe
I.

1.

1
Die Berufung der Verfügungsbeklagten (im Folgenden: Beklagte) bietet offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO). Das Landgericht hat dem Antrag des Verfügungsklägers (im Folgenden: Kläger) auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu Recht stattgegeben. Demgegenüber sind mit der Berufungsbegründung der Beklagten keine Gesichtspunkte aufgezeigt worden, die zu einer anderen Bewertung der Sach- und Rechtslage führen würden.

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Die nach den §§ 935 ff. ZPO für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderlichen Voraussetzungen sind gegeben.

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a) Das Vorliegen eines Verfügungsgrundes (§§ 920 Abs. 1, 936 ZPO) wird im Streitfall nach § 12 Abs. 2 UWG vermutet und ergibt sich im Übrigen aus den zeitlichen Abläufen, wonach der Kläger am 04.09.2018 Kenntnis von dem angegriffenen Instagram-Auftritt der Beklagten erhalten hat und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung kurze Zeit später, nämlich am 25.09.2018 bei Gericht eingegangen ist.

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b) Daneben hat der Kläger auch das Vorliegen eines Verfügungsanspruchs glaubhaft gemacht (§§ 920 Abs. 2, 936 ZPO).

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Gemäß den §§ 3 Abs. 1, 5 a Abs. 6 UWG i. V. m. § 8 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 3 Nr. 2 UWG kann der Kläger von der Beklagten die Unterlassung der beanstandeten Werbung verlangen. Nach § 5 a Abs. 6 UWG handelt im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG unlauter, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

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Die hiernach erforderlichen Anspruchsvoraussetzungen liegen im Streitfall vor, insbesondere fehlt es entgegen der von der Beklagten in der Berufungsbegründung vertretenen Auffassung weder an einer geschäftlichen Handlung der Beklagten noch an deren Eignung, den Verbraucher zu andernfalls nicht getroffenen geschäftlichen Entscheidungen zu veranlassen. Im Einzelnen:

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aa) Nach der Definition des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG ist unter einer geschäftlichen Handlung jedes Verhalten einer Person zu Gunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor oder nach einem Geschäftsabschluss zu verstehen, welches mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt.

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Erforderlich ist hiernach ein objektiver Zusammenhang in dem Sinne, dass die Handlung objektiv geeignet ist, den Absatz oder Bezug des eigenen oder eines fremden Unternehmens zu fördern. Dabei ist zwar eine eigentliche Wettbewerbsförderungsabsicht entbehrlich; die betreffende Handlung muss aber zumindest das Ziel haben, die geschäftlichen Entscheidungen des Verbrauchers zu beeinflussen (vgl. Köhler in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Auflage, § 2 Rn. 45 u. 46; Ernst in: Ullmann, jurisPK – UWG, 4. Auflage, § 2 Rn. 19). Sind die beanstandeten Angaben objektiv zur Förderung des Wettbewerbs geeignet, spricht eine Vermutung für eine entsprechende Absicht der Beklagten (vgl. BGH, Urteil vom 13.02.2003 – I ZR 41/00, GRUR, 2003, 800 – Schachcomputerkatalog; Ernst, a. a. O., § 2 Rn. 21).

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(1) Hier kann an einer objektiven Eignung der angegriffenen Handlung zur Förderung des Absatzes Dritter, nämlich bestimmter Hersteller von Kleidung und Schuhen, kein Zweifel bestehen. Der angegriffene Internetauftritt der Beklagten ist in der Weise gestaltet, dass bei einem „Klick“ auf die präsentierten Bilder die Namen/Marken der Hersteller der von der Beklagten getragenen Kleidung erscheinen. „Klickt“ der Benutzer sodann auf die betreffenden Namen/Marken, wird er zu dem entsprechenden Instagram-Auftritt des jeweiligen Herstellers geleitet, wo wiederum weiterführende Links, etwa zu einem Shop des Herstellers, eingebettet sind. Diese Vernetzung ist geeignet, den Absatz der betreffenden Hersteller dadurch zu erhöhen, dass Follower der Beklagten der Verlinkung folgen und schließlich die abgebildeten oder andere Produkte des Herstellers erwerben.

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(2) Die Vermutung der subjektiven Zielsetzung einer Beeinflussung der Entscheidungen der Verbraucher hat die Beklagte nicht widerlegt. Sie beruft sich darauf, die Verlinkungen nicht mit dem Ziel installiert zu haben, für die jeweiligen dahinterstehenden Konzerne zu werben, sondern um so auf eine Vielzahl von Anfragen ihrer Follower zu reagieren. Abgesehen davon, dass diese Intention nicht glaubhaft gemacht worden ist, spricht eine Gesamtbetrachtung der objektiven Umstände für eine werbliche Zielsetzung der Beklagten.

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(a) Die Frage, ob eine Handlung vorrangig der Förderung des eigenen oder fremden Absatzes oder Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder aber anderen Zielen dient, ist aufgrund einer Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Hierbei kommt es nicht nur auf die eigentlich in Rede stehende Handlung an, sondern auch auf die Begleitumstände. Der Umstand, dass der Handelnde ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung von Verbrauchern oder anderen Marktteilnehmern hat, stellt dabei nur ein – wenngleich maßgebliches – Indiz (unter mehreren) für das Vorliegen einer geschäftlichen Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar (vgl. BGH, Urteil vom 11.12.2014 – I ZR 113/13, GRUR 2015, 694 – Bezugsquellen für Bachblüten; Köhler a. a. O., § 2 Rn. 56). Von daher kommt eine geschäftliche Handlung auch dann in Betracht, wenn es zwar an einem Entgelt fehlt, dieses aber erwartet wird (vgl. auch dazu Köhler, a. a. O., § 5 a Rn. 7.35 u. 7.71). Da sich das Bestehen einer geschäftlichen Verbindung oder auch eine konkrete Vorteilsgewährung regelmäßig nicht nachweisen lassen werden, gewinnen zudem andere Gesichtspunkte an Bedeutung, etwa ob es für die Darstellungsweise einen publizistischen Anlass gibt (vgl. z. B. OLG Düsseldorf, Urteil vom 31.10.2006 – 23 U 30/00, OLGR Düsseldorf 2007, 258) oder es an einem sachlichen Informationsbedürfnis, welches befriedigt werden soll, fehlt (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.04.1986 – 2 U 179/85, NJW–RR 1986, 1432; s. a. Ahrens, GRUR 2018, 1211 (1215)).

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(b) Hieran gemessen ergibt eine Gesamtwürdigung der objektiven Begleitumstände das Vorliegen einer geschäftlichen Handlung der Beklagten zu Gunsten einer Absatzförderung von Drittunternehmen.

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Für einen solchen Befund spricht bereits, dass die Beklagte im Rahmen ihres Instagram-Auftritts unstreitig gewerblich handelt und auch den Absatz ihres eigenen Angebots unter ihrer gewerblichen Websitewww.I.-c..de, wo sie Angebote zu den Themen Ernährung, Fitness und Coaching bereithält, zu fördern sucht. Dass in einem solchen gewerblichen Umfeld erteilte Hinweise auf das Angebot von Drittunternehmen rein privater Natur sein sollen, erscheint nach der Lebenserfahrung fernliegend.

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Hinzu kommt, dass es sich um einen Internetauftritt auf Instagram handelt. Instagram ist die beliebteste Social-Media-Plattform für die Verwendung von Marken-PR. Allein im Jahr 2017 ist dort ein Budget von über 560 Millionen Euro investiert worden. Ursachen der Beliebtheit von Instagram sind neben der großen Altersspanne seiner Nutzer vor allem die globale Reichweite und die einfachen Nutzungsmöglichkeiten. Die Nutzerzahl beträgt über 500 Millionen weltweit; davon entfallen allein 18 Millionen auf Deutschland (vgl. Lettmann GRUR 2018, 1206 (1207)). Wie sich aus der Anlage AG 1 (Bl. 169 d. A.) ergibt, sieht Instagram auch ausdrücklich einen „Branded Content“ vor und schafft dafür die Rahmenbedingungen. In diesen Zusammenhang gehört des Weiteren, dass sich die Beklagte selbst als sogenannte Influencerin bezeichnet, wobei es sich in der Regel um bekannte und beliebte Personen handelt, die sich dafür bezahlen lassen, dass sie mit einem bestimmten Produkt abgebildet werden (vgl. Köhler, a. a. O., § 5 a Rn. 7.80 a). Entsprechend ist die Beklagte auch durchaus bereit, für Produktplatzierungen Entgelte von Drittunternehmen anzunehmen, wie etwa das Beispiel „r.“ zeigt. Sie differenziert lediglich sachwidrig danach, ob sie ein Entgelt erhält oder nicht, und meint, Werbung liege so lange nicht vor, wie keine materielle Gegenleistung des betreffenden Unternehmens erbracht werde. Dabei übersieht die Beklagte indes, dass, wie oben ausgeführt, der Erhalt einer Gegenleistung zwar ein Indiz für eine geschäftliche Handlung darstellt, aber nicht allein entscheidend ist. Bereits die hier den Umständen nach naheliegende Erwartung, das Interesse von Drittunternehmen an einem Influencer-Marketing in Kooperation mit der Beklagten zu wecken und auf diese Weise Umsätze zu generieren, genügt.

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Zudem fehlt in den Beiträgen der Beklagten jeglicher redaktionelle Anlass für die gleichzeitig betriebene Produktwerbung. Selbst wenn man unterstellt, es hätte entsprechend dem Vortrag der Beklagten zahlreiche Anfragen ihrer Follower zu der von ihr getragenen Kleidung gegeben, denen sie zuvorkommen wollte, ginge die von ihr tatsächlich ins Werk gesetzte Gestaltung des Instagram-Auftritts weit über das auf diese Weise formulierte Informationsbedürfnis etwaiger Follower hinaus. Die Beklagte hat weder in einem Artikel über Anfragen ihrer Follower zu einem bestimmten Kleidungsstück berichtet und in diesem Zusammenhang den Herstellernamen genannt noch sich unter Bezugnahme auf entsprechende Anfragen darauf beschränkt, redaktionell die Hersteller mitzuteilen. Stattdessen lässt sie bei einem „Klick“ auf die von ihr geposteten Abbildungen den Herstellernamen erscheinen, worin eine werbewirksame Warenproduktion ähnlich einem Onlinekatalog liegt. Anschließend wird durch einen weiteren „Klick“ der Kontakt zu dem jeweiligen Hersteller hergestellt, und zwar mit der anschließenden Möglichkeit des Produkterwerbs. Auf diese Weise wird die Beklagte zum Bindeglied zwischen Hersteller und Follower.

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bb) Ebenso wenig ist schließlich die Eignung der hier fehlenden Kenntlichmachung des sich nicht unmittelbar aus den Umständen ergebenden kommerziellen Zwecks der angegriffenen geschäftlichen Handlung zur Veranlassung des Verbrauchers zu andernfalls nicht getroffenen geschäftlichen Entscheidungen zu verneinen.

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Es ist gerade Sinn und Zweck der Werbung der Beklagten, ihre Follower zum Erwerb entsprechender Kleidungsstücke bei den betreffenden Herstellern zu bewegen, die diese sonst nicht oder nicht zu diesem Zeitpunkt erworben hätten. Die Verbraucher oder Follower der Beklagten verstehen die Beklagte als Vorbild und folgen ihrem Beispiel bei der Auswahl von Kleidung wie einer Empfehlung, welcher sie aufgrund ihrer scheinbar privaten Natur eine größere Objektivität und Neutralität beimessen, als es bei entsprechend offengelegter, das heißt, gekennzeichneter Werbung, die den kommerziellen Zweck gegenüber den Verbrauchern nicht verschleiert, der Fall wäre.

2.

18
Die übrigen Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO liegen, soweit im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung überhaupt von Relevanz, ebenfalls vor. Insbesondere ist auch eine mündliche Verhandlung nicht geboten, von der keine weitergehenden Erkenntnisse zu erwarten sind (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO).

II.

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Es besteht für die Beklagte binnen 2 Wochen Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Senat regt eine Rücknahme der Berufung ausdrücklich an und weist vorsorglich darauf hin, dass sich die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens im Falle einer Berufungsrücknahme auf die Hälfte ermäßigen (Nr. 1222 KV GKG).

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